Predigt zum 4. Sonntag in der Passionszeit (Laetare), 30. März 2025

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Predigt zum 4. Sonntag in der Passionszeit (Laetare), 30. März 2025

07.04.2025

über Johannes 6,47-51 (Lut17); gehalten in der Annenkapelle des Doms zu Freiberg von Dompfarrer Dr. Gunnar Wiegand

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Stille…

Lesung des Predigttextes Johannes 6,47-51 (Lut17)

Liebe Gemeinde,

meine Tochter hat einen kleinen Engel aus gehäkelter Wolle. Den hat sie seit dem Adventsmarkt im letzten November. Er ist für sie so ein Schutzengel, begleitet sie, ist ihr Kuschelengel in der Nacht. Und am Tag sitzt dieser Engel, Uriel heißt er, auch immer wieder am Esstisch. Da kam natürlich irgendwann die Frage auf, was denn dieser Engel eigentlich überhaupt isst, was seine Lieblingsspeise ist. Und wir kamen gemeinsam zum Schluss, dass ihm die normalen Gerichte auf dem Tisch nicht schmecken… seine Lieblingsspeise ist Manna, auch Engels- oder Himmelsbrot genannt. Es ernährte auf wundersame Weise das Volk Israel bei seiner 40jährigen Wüstenwanderung von Ägypten ins gelobte Land. Was dieses Himmelbrot genau ist, wissen wir zwar nicht, aber immer hin: es wird rund und weiß wie Koriandersamen oder Tautropfen beschrieben. Es hatte einen Geschmack wie Honig. Eine eigenartige Mischung aus Unsagbarem, Himmlischem, in handfester menschlicher Sprache ausgedrückt. Etwas Heiligen, von Gott… wichtig im Glaubensgedächtnis des Volkes Israel.

Und nun ist da dieser heutige Ausschnitt aus dem Johannes-Evangelium, die lapidare Ansage von Jesus: dieses Manna war eigentlich auch nur irgendeine irdische Nahrung. Dieses Manna hat das Volk Israel zwar über 40 Jahre hinweg durch die Wüste geholfen, aber gestorben sind die Leute am Ende doch. In anderen Worten: dieses himmlische wundersame Manna stößt in seiner Wirkung dann auch an seine Grenzen.

Sie können sich vorstellen: Was für eine Enttäuschung für diesen kleinen Engel meiner Tochter, ja für meine Tochter.

Ja, und was für eine enorme Enttäuschung für die Israeliten… dieses Manna war die himmlische Speise schlechthin. Es hat das Volk Israel gestärkt, ihm Kraft für den Irrweg durch die Sinaihalbinsel gegeben.

Erst kurz zuvor hatte Jesus, die Volksmenge mit Gerstenbroten und Fischen satt gemacht. Das hatte sie beeindruckt, sie wollten neue Zeichen von Jesus. Jesu Rede ist die Antwort auf diese Bitte. Eine eigenartige Rede. Sie kanzelt die Sättigung durch das Manna ab. Und in gewisser Weise relativiert er damit sogar sein eigenes Speisungswunder. Jesus provoziert, grenzt ab… es bleibt im ersten Moment unverständlich, ja und sogar ein wenig eklig – wie ich finde: Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch – für das Leben der Welt. „Hä? Jesus hat doch selber die Menschen satt gemacht. Er hat doch selber Wunder gewirkt indem er die Nahrungsmittel vermehrte – frage ich mich.“ Wie muss das auf die Menschen in den Synagogen um Ephesus – in deren Kontext dieses Evangelium entstanden ist – gewirkt haben? Wie sollten sie das verstehen? Konnten sie es verstehen?

Vermutlich waren viele genauso enttäuscht wie meine Tochter… das Manna nichts wert, dafür so eine abstrakte Metapher: ein anderes Brot, das Brot des Lebens, Jesu Fleisch.

Immerhin konnten die Menschen auch auf den ersten Blick hin zwei wichtige Botschaften durchschimmern sehen – sofern sie nicht von den negativen Gefühlen zu sehr eingenommen waren.

- Denn Jesus sagt: Ich bin das Brot des Lebens. In anderen Worten. Ich bin, der ich bin… Gott der Herr strahlt hier durch die Zeilen durch. Und damit: Jesus ist Gott selber. Unüberhörbar für die Menschen jüdischen Glaubens… aber auch das eine Provokation.

- Und indirekt kündigt Jesus ja auch sein Sterben an: Und das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch – für das Leben der Welt. Die Botschaft: irgendwie wird sich Jesus opfern, hingeben.

Als ich diesen Ausschnitt zur Predigtvorbereitung gelesen habe, war mein erster Gedanke: Wie sollte man hier einen Gottesdienst feiern ohne Abendmahl? Für mich war von Anfang an klar: Jesus spricht hier vom Abendmahl. Deswegen feiern wir heute auch – außerhalb der Reihe – das Abendmahl. Und das ist gewissermaßen die zweite Perspektive: der Blick des gläubigen Christen, der gläubigen Christin. Der Blick einer Gemeinde, die Jesus bereits in ihr Gedächtnis geschrieben hatte… im Sakrament des Altars… so wie die meisten von Ihnen. Und damit erschließt sich diese völlig abstrakte, enttäuschende, ja ekelerregende Metapher.... sie verliert oder relativiert ihre abstoßende Brisanz… ich vermute, die meisten von Ihnen haben sofort irgendwie ans Abendmahl gedacht. Denn wir wissen: Jesus ist bereits am Holz des Kreuzes geopfert worden und hat dieses Abendmahl zu seinem Gedächtnis hinterlassen – nicht umsonst fällt Jesu Tod auf den Tag, als die Passalämmer geschlachtet wurden. Eine direkte Verbindung zwischen der befreiende Wüstenwanderung des Gottesvolkes, dem Passafest, Tod Jesu und sein Vermächtnis. Es ist klar: in, mit und unter dem Brot ist Gott gegenwärtig. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Hier ist nicht die Rede von einem Nahrungsmittel – so wie das Manna, das wie so ein Ersatzlebensmittel ist – sondern von etwas, das nur über den Glauben, aber doch sinnlich erschlossen werden kann. Die Abendmahlshostie und der Schluck Wein machen ja nicht im körperlichen Sinn satt… da braucht es später dann schon noch das Mittagessen. Nein hier sind wir auf Jesu ersten Satz zurückgeworfen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben.

Doch bleibt ja nach wie vor die Frage: was bedeutet das konkret? Was bedeutet das jetzt für mein Leben? Dazu zwei Gedanken:

1. Wir leben ja in Zeit des Wohlstandes. Den meisten Menschen geht es materiell vermutlich so gut wie kaum einer Generation vor uns. Erst gestern habe ich mich in einem Geburtstagsgespräch mit einem Paar unterhalten. Ich habe dann irgendwann nach dem Befinden erkundigt. Und der Mann hat mir geantwortet: „Ach wissen Sie. Mit Mitte 70 gehören wir wohl zu der Generation, der es so gut gegangen ist, wie keiner anderen zuvor… und womöglich auch danach nicht mehr. Wir hatten eigentlich immer Frieden, waren nicht vom Krieg bedroht. Hatten Wohlstand.“ Und dann aber äußerte die Frau, dass Sie dennoch Sorgen um die Zukunft habe, die Zukunft der Kinder und Enkel… mit der Angst um Verlust, mit der Angst um den Frieden, Angst vor einem Krieg…. Bei den vielen negativen Nachrichten.

Jesus macht deutlich: da ist noch etwas Anderes als diese materielle Welt – so angenehm sich das Leben mit materiellen Gütern auch gestaltet. Die Güter nehmen uns nicht die Sorgen. Sie nehmen uns nicht die Sorgen um das Leben und die Zukunft. Die materiellen Güter machen langfristig alleine nicht glücklich. Das Manna hat dem Volk Israel zwar über die Wüstenzeit hinweggeholfen, aber ihnen noch lange nicht dauerhaftes Glück gegeben. Jesus sagt dagegen: achtet auf das, was langfristig glücklich macht, das was über diese vergängliche Welt hinausführt. Dafür stehen Brot und Wein… ganz einfach, ganz elementar. Sie erinnern daran: wir Christinnen und Christen haben da auch noch das ewige Leben. Da ist noch mehr als dieser materielle Reichtum… und das schenkt uns Gott – bei aller Abstraktion des Glaubens – sehr sinnlich und konkret mit dem Abendmahl.

2. Na und dann ist da ja dieses „Leben in Ewigkeit“ selbst – von dem Jesus spricht. Erst in dieser Woche hat mir jemand von einem Traum erzählt: er habe geträumt, die Welt würde 2026 untergehen. Mit Einsturz von Häusern und Fluten… wie einem Katastrophenfilm. Da der Traum ihm wohl sehr real vorkam, hat wirklich gezögert so ein gewohntes „auf Wiedersehen“ auszusprechen. Ich glaube, dass hinter so einem Traum ja auch reale Ängste, Verlustängste verbergen. Mir ist in den Sinngekommen: vielleicht sind das auch bei ihm Ängsten um den Frieden und die Zukunft. Ich kenne das: auch ich mache mir Sorgen um unser herrliches Europa, unsere demokratischen Länder unsere Offenheit und Pluralität… sicher auch das schwierige Erbe, das unsere Länder aus den Kolonialzeiten mitschleppen.

Wenn Jesus von der Ewigkeit des Lebens spricht, verweist er doch darauf: ihr braucht euch nicht zu sorgen. Hier, in diesem Brot bin ich bei euch. Da wo ihr zusammenkommt, Gemeinschaft habt, ist Gott bei euch. Steht zueinander und erinnert euch: euch ist das ewige Leben verheißen.

Ich bin das Brot der Welt – sagt Jesus. Ein Wort das provoziert und enttäuscht. Aber auch ein Wort, das Hoffnung schenkt, Mut macht. Denn es verweist darauf: Du, Gott, bist mitten unter uns, Du schenkst Gemeinschaft, Du verheißt uns das ewige Leben.

Uns der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.

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