14.09.2024
über Matthäus 6,25-34; gehalten im Freiberger Dom von Dompfarrer Dr. Gunnar Wiegand
Lesung Matthäus 6, 25 - 34 (wurde als Evangelium verlesen)
Gnade sei mir euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Stille…
Liebe Gemeinde,
Unser Alltag steckt voller Arbeit und Mühen. Da ist der Geschirrberg nach einem schönen Sonntagsessen. Der Wäschekorb wird irgendwie nie so richtig leer, obwohl die Waschmaschine schon ein paarmal gelaufen war. Der Blauregen oder der Efeu müssen schon wieder geschnitten werden – der letzte Schnitt ist doch noch gar nicht so lange her.
Auf der Arbeit im Büro: gerade erst habe ich die eine Akte geschlossen – schon ist die nächste dran. Eine E-Mail ist geschrieben ein ganzes Bündel von Mails ist schon wieder im Posteingang.
Ja, und selbst in der Freizeit ist das Leben oft von Pflichten und Mühen bestimmt: ich muss den Urlaub buchen. Wenn ich abends ausgehe, muss ich mich erst einmal herrichten. Das Partyvideo auf Insta oder Tiktok muss noch schnell geschnitten werden… das alles nervt bisweilen!
Unser Alltag steckt voller Arbeit und Mühen – es nervt – und Jesus hat das erkannt: „Ihr sorgt euch…“ Und Jesus hat gleich auch noch etwas bemerkt: „ihr sorgt euch…“ Die Geschäftigkeit ist doch meist etwas sehr selbstbezogenes: ich will ein ordentliches Zuhause haben. Ich will ein Ansehen bei den Leuten haben. Dafür brauche ich Geld. Ich will schön aussehen. Ich will mein spritschluckendes Auto fahren. Ich will einen sonnigen Urlaub in Übersee.
Und nun verbindet Jesus diese Beobachtung mit einer Frage: „Warum macht ihr das? Warum sorgt ihr euch? Schaut euch die Natur an. Da sind Vögel – sie führen scheinbar mühelos ihr Leben. Da sind Blumen – sie wachsen wie von selber, ja sind sogar schön. Lilien. Ohne Zutun des Menschen noch schöner als Luxusklamotten“
Sorgen… das klingt bei Jesus ja gerade so, als ob die ein Selbstzeck sind… „Sorgt euch nicht um eure Leben…“… wie bitte? Sorge um das Leben – ist das nicht auch einfach gerechtfertigt? Was hat Jesus da herumzumäkeln? Ich muss doch von etwas in dieser Welt leben. Hat sie mir Gott nicht anvertraut, mir Verantwortung dafür mit auf den Weg gegeben?
Ist es nicht wunderbar, wenn die Küche nach dem Aufwasch wieder sauber ist? Die Klamotten sortiert im Schrank liegen? Die Aktenberge abgearbeitet, das Posteingangskonto leer? Ja ist es nicht einfach auch eine Freude einer erfüllten Arbeit nach zugehen? Ist es nicht reizvoll, sich vor einer Party am Abend: stylen, schick machen?
Ich denke, Jesus zielt auf etwas anderes ab. Jesus macht darauf aufmerksam: dieses Leben ist von Mühen durchzogen. Diese Mühen entstehen ganz von selber, durch unser tun. Sie entstehen aber auch aus unserer Ich-Bezogenheit, unserer Sorge für unser Leben.
Aber aus dieser Ich-Bezogenheit komme ich auch heraus: Schaue ich mich in der Natur um, dann sehe ich: die Dinge laufen auch ohne mein Zutun.
[Blume zeigen]
Ich habe Ihnen heute Lilien mitgebracht. Eine große weiße Blüte. Sechs spitzovale Blätter ragen herrschaftlich nach oben. Außen herum die grünen Kelchblätter. In der Mitte das Fruchtblatt mit den Staubblättern herum. Einfach nur schön, einfach nur majestätisch.
Diese Schönheit der Blume reißt mich aus meinen Sorgen, aus meiner Ich-Bezogenheit. Sie öffnet mir den Blick für das Andere: da gibt es die Welt um mich herum. Es gibt Abläufe in dieser Welt, die nicht nur mit mir zu tun haben… die sind einfach da. Und am Ende steht da Gott. Er hat all das so geschaffen. In anderen Worten: mein eigenes Leben hängt nicht nur von meiner Sorge für mich selber ab. Da bin natürlich ich – aber da ist auch Gott.
Konkret heißt das für mich: natürlich habe ich Sorgen, natürlich ist das Alltagsleben beschwerlich-unbeschwerlich. Aber es gibt diese Momente, die mich erinnern: da ist noch das Andere, da ist die Ordnung in der Natur, da ist die Schönheit der Natur. Sie erinnert mich: Gott ist da. Aus seiner Gnade heraus kann ich sein, kann ich leben. Er sorgt für mich
„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ – ergänzt Jesus gegen Ende. Ich verstehe das so: dieses Leben aus mir und aus der Gnade Gottes hat Folgen.
- In meinem oft grauen oder dahinfließenden Alltag bin ich angehalten Gottes Reich zu suchen. Wenn ich den ganzen Tag im Büro sitze. Einfach mal den Stift weglegen, den Laptop zuklappen. Einmal Pause machen. Rausgehen. Auf eine Bank setzen, die Sonne ins Gesicht scheinen lassen, einen kleinen Spaziergang einlegen. Die Augen offen halten, eine Blume Wegrand betrachten. Die schöne Parkanlage nebenan bewundern. Am Sonntag mit Freude in den Gottesdienst gehen. Die großartige Musik unseres Kantors in dieser herrlichen Kirche anhören. Auszeit aus den Alltagssogen. Und diese Auszeit ganz bewusst suchen.
- Und dann steht da auch noch „Gerechtigkeit“. Gerechtigkeit kommt nicht aus meinem eigenen Gerechtigkeitsempfinden. Sie kommt von Gott. Der Blick auf Gott hütet uns vor Selbstgerechtigkeit. Egoismus. Und dieser Satz von Jesus hält uns auch vor Augen: die Gerechtigkeit ist erst ganz in Gottes Reich erfüllt. Bis dahin müssen wir immer mit dem Vorbehalt leben: absolute Gerechtigkeit auf dieser Welt gebt es nicht. Es ist vergeblich sie einzufordern.
Lieber…,
Du hast heute Konfirmation. Du hast Dich als Erwachsener entschieden: diese Ev.-Luth. Kirche passt Dir, hier willst Du nun auch aus innerer Überzeugung ganz dazugehören. Mich freut das sehr. Und es freut mich, dass ich Dich auf diesem Weg in den letzten Monaten begleiten durfte. Oft eher sporadisch, aber doch immer mit dem Herzen ganz dabei. Ich wünsche Dir ganz besonders diese Einsicht: dieses Leben ist von Gott. Wenn Dir die Aktenberge oder frustrierte Kunden im Finanzamt im Vogtland über den Kopf zu drohen wagen: denke an die Lilien, denke an diesen heutigen Tag… und gönne Dir eine kleine Auszeit. Sie möge Dir dann im Blick auf die Natur, auf das Schöne in dieser Welt, den Blick für Gott öffnen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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