21.09.2025
über 1. Mose 28,10-19a (Lut17); gehalten im Freiberger Dom St. Marien von Dr. Gunnar Wiegand, Pfarrer des Freiberger Doms
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Lasst uns in der Stille beten.
Lesung des Predigttextes 1. Mose 28,10-19a (Lut17)
Liebe Gemeinde,
„'Eine Kirche als Hotel, genial.' Ein wunderbares Designhotel in bester Lage. Ganz, ganz tolles Design, eine Kombination aus altem Gemäuer und modernem Ambiente, wir sind begeistert. Eine echte Entdeckung. Wirklich sehenswert ist vor allem der öffentliche Teil mit Lobby, Bar und Restaurant in der ehemaligen Kirche. In diesem umgebauten Kirchenschiff nehmen sie das Frühstück zu sich. Ein Besuch wert ist auch der Innenhof. Ein echtes Erlebnis die Kombination aus Klosteranlage und aktuellstem Hoteldesign.“ (Nutzerstimmen aus dem www)
Wer der Stadt Maastricht in Holland einen Besuch abstattet, kann in einer zum Hotel umgebauten alten Klosterkirche ein Zimmer mieten und dort übernachten. Das ehemalige Kirchenschiff dient heute als Restaurant und Bar-Lounge. Bei schummrigem Licht können Sie dort am Abend im Chorraum sitzen und ihr Glas Wein zu sich nehmen.
Eine Kirche als Hotel: man hätte mit dem Umbau von Kirchen zu Hotels nicht so manches Nutzungsproblem alter Gemäuer gelöst! … Ehrlich gesagt: Klar kann ich mitfühlen, dass das vielen Leuten gefällt… der mittelalterliche Raum, das Exotisch-Besondere. Aber das Gefühl der Entweihung hinterlässt bei mir einen unguten Nachgeschmack… und der ist stärke als meine Begeisterung. Doch warum ist das so?
Der heutige Predigttext zeigt mir eindrücklich, warum ich dieses ungute Gefühl der Profanierung in mir habe… Das hat etwas mit dem Ort an sich zu tun, das hat etwas mit dem Altar zu tun, das hat etwas mit dem Schutzraum des Altars, dem Kirchengebäude, zu tun und mit allem, was diesen Ort besonders macht… kurz, das, was sie sehen können, das Gebäude, die Figuren, die sichtbare Kirche…
Aber dabei bleibt diese Geschichte um Jakob nicht stehen. Sie lenkt dann den Blick in einem zweiten Schritt auf die Kirche als eine Gemeinschaft der Gesegneten Gottes.
Fangen wir beim sichtbaren Bereich der Kirche, den Kirchengebäuden, an. Nachdem Jakob seinen bekannten Traum mit der Gotteserscheinung gehabt hatte und aufgewacht war, sprach er:
„Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht! Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels. Und Jakob stand früh am Morgen auf und nahm den Stein, den er zu seinen Häupten gelegt hatte, und richtete ihn auf zu einem Steinmal und goss Öl oben darauf und nannte die Stätte Bethel“
Es gibt Orte in unserer Welt, die heilig sind… weil sie Gott selber heiligt. Es gibt Orte, die Menschen – so wie Jakob – als heilige Zentren, zu Orten der Begegnung mit Gott gemacht haben. Sie haben an diesen Orten Steinmale oder Altäre errichtet, um der Besonderheit des Ortes ein sichtbares Zeichen zu verleihen. Der Altar ist die heilige Mitte eines Kirchraums. Hier feiern wir das Sakrament, hier ist Jesus Christus, Gott selber, in mit und unter Brot und Wein präsent. Wie verlockend und reizvoll erscheint es, dass wir Kirchgebäude, die Unsummen an Unterhalt und Sanierung kosten, einfach zu Hotels umzubauen. Ich denke aber, dass es unsere vordringlichste Aufgabe ist, gerade diese Orte unserer Kirche zu erhalten, zu pflegen – auch wenn es uns große Anstrengungen kostet. Es freut mich, dass sich auch die Stadt Freiberg zum Dom als zentralen Gottesdienstort bekennt. Wie großartig, dass es den Förderverein gibt, der sich – neben der Kirche – auch um den Erhalt dieses Gebäudes einsetzt. Wie großartig, dass sich Menschen im Bauausschuss engagieren, dass Menschen für den Erhalt und die Sanierung des Doms spenden! – Vielen Dank! „Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.“ Der Erhalt der Kirchengebäude hat nicht nur pragmatische Gründe. Es geht nicht nur darum, dass dort in einer besonderen Atmosphäre immer wieder Gottesdienste stattfinden… für mich hat es mit dem Respekt vor der Heiligkeit der Orte selbst tun – so wie auch für Jakob dieser Altar ein besonderer, heiliger Ort war. Die Orte, die für unsere Vorfahren am bedeutendsten waren. Die Orte, an denen sich für sie der Himmel öffnen konnte. „Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.“ Unsere Landeskirche betont daher zu Recht, dass „Kirchen […] ein unverzichtbarer Bestandteil unserer sächsischen Kulturlandschaft [sind]. [Ferner] dokumentieren [die Kirchengebäude] die Kirchen- und zugleich die Ortsgeschichte. [Sie] sind die Zeugnisse des Glaubens und Orte der Stille und Besinnung.“ (EVLKS - interessiert: Kirchgebäude) Der Verkauf oder die Entweihung von Kirchen ist in Sachsen genau aus diesen Erwägungen heraus in der Regel zurecht verboten. Der aufwändige Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche oder der umstrittene Neubau der Paulinerkirche in der Universität Leipzig sind in meinen Augen Zeichen der Wertschätzung gegenüber dem kulturellen Gedächtnis dieser heiligen Orte.
Und dann ist da noch die Gottesoffenbarung im Traum Jakobs. Bevor Jakob ein Steinmal errichtete war ihm Gott im Traum erschienen. Ja, die Heiligkeit des Ortes wird eigentlich erst durch den Traum begründet und wirkmächtig. Nachdem Jakob die berühmte Himmelsleiter mit den Engeln erblickt, die daran auf und nieder gehen, erscheint Gott und spricht zu ihm:
„Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.“
Jakob wird zum Träger der Verheißung des künftigen Volkes Israels und der mit ihm geschwisterlich-verbundenen Kirche. Der eigentliche Grundstein für die Kirche wird somit vom anfassbaren Traumstein Jakobs in seinen Traum vorverlagert. Hierdurch wird deutlich, dass unsere heiligen Orte, die Kirchen, nicht aus sich selbst heraus bestehen. Sie sind von Gott gewollt und hängen am Segen Gottes über das Vermächtnis Jakobs: „Durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.“ Gemeinschaft Gottes zu sein, heißt immer auch: Gemeinschaft des Geistes und des Herzens – vielleicht könnte man sogar sagen, eine Gemeinschaft des Traums, eine Traumgemeinschaft. Ohne den Geist als Träger des Gestaltungswillens Gottes wäre die Kirche in der Tat nur eine Versammlung in kalten Steingebäuden. Und in diesem Sinn ist die Versammlung der Gemeinde auch nicht an den Ort des Heiligen, das Kirchengebäude gebunden. Jakob errichtete das Steinmal, nannte es Bethel – Haus Gottes – und verließ den Ort, um weiter nach Haran in Chaldäa zu ziehen.
Das Heilige besteht in dieser Geschichte also aus den zwei Bereichen: zum einen gibt es uns als christliche Gemeinschaft, die Gottes Segens-Verheißung an Jakob in sich trägt und zum anderen die Orte des Heiligen. Da ist unser besonderes Gebäude, der Dom, der Ort an dem wir unter Wort und Sakrament zusammenkommen, Gottesdienst feiern. Und dann gibt es Gemeindekreise… meistens an einem Ort, manchmal auch wechselnd, in den Gemeindehäusern oder mal ganz privat, zuhause bei Menschen.
Gott spricht: „Durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden.“ Und: „Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.“
Im Gedanken reise ich nach Maastricht zur alten Klosterkirche, die zum Hotel umgebaut wurde. Ich trete in das Kirchenschiff ein. Es erwartet mich leise Pianobarmusik. Ich setze mich an einen der dunkel-modern-designten Tische, die mit einer schönen Kerze bestückt sind, unter die gotische Apsis. Ich bestelle einen Cocktail und lasse die Atmosphäre mit dem Gewölbe auf mich wirken.
Ich spüre eindeutig die Heiligkeit des Ortes… da wirken auf mich das Restaurant, diese Lounge verstörend… obwohl es ja gemütlich und ansprechend ist in den Sesseln… auf der anderen Seite – denke ich –: auch die Nikolaikirche in Freiberg ist ja heute auch ein Konzertsaal. Umso wichtiger ist mir, dass die verbliebenen Kirchen Gotteshäuser bleiben. Gut, dass es Heilige Orte wie den Freiberger Dom gibt… Orte für Wort und Sakrament.
Das Piano spielt einen letzten Akkord… noch einmal hallt ein letztes Mal Gottes Traumwort in mir nach „Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels.“
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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