Predigt zum 13. Sonntag nach Trinitatis, 14. September 2025

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Predigt zum 13. Sonntag nach Trinitatis, 14. September 2025

21.09.2025

über Markus 3,31-35 (Lut17); gehalten im Freiberger Dom St. Marien von Dr. Gunnar Wiegand, Pfarrer des Freiberger Doms

Liebe Gemeinde,

wie geht es Ihnen, wenn Sie an Familie denken?... mir kommt da ein ganzes Bündel an positiven Gefühlen… ich freue mich… da sind meine Mutter, mein Vater, meine Schwester… aber auch meine weitläufige Verwandtschaft… da zieht im Gedanken meine Heimat vorbei… gleichzeitig Wehmut, dass wir uns wegen der räumlichen Entfernung nach Bayern und in die Schweiz nicht so oft sehen können… Dankbarkeit für die viele Liebe und Zuwendung meiner Eltern und meiner Schwester in meiner Kindheit und Jugend… ja bis heute… Sie merken: Familie ist mir ganz wichtig…

ja ich würde sogar sagen: ich habe so ein Idealbild von Familie in mir… da ist Vater, Mutter, Kinder… und dahinter natürlich die Großeltern… das ist etwa so, wie es mir ein Konfirmand neulich gesagt hat. Auf die Frage, was ihm an der Kirche am Wichtigsten sei, gab zur Antwort: „Weihnachten im Dom mit der Familie“ … da ging bei mir natürlich das Herz auf: Kerzenschein, Christbäume, Laternen, Orgelmusik und der Quempas… die Weihnachtsgeschichte… die Hirten, Engel, die heilige Familie mit Joseph, Maria und in der Mitte das Jesus-Kind.

Gleichzeitig weiß ich natürlich, dass Familie manchmal auch anstrengend sein kann (auch meine eigene) … man ist ja aneinandergebunden… da muss man die Familienangehörigen so nehmen wie sie sind… ja manchmal auch ertragen wie sie sind… mit allen Ecken und Kanten, mit allen Macken und Ansichten… man kommt da nicht raus aus der Nummer. Und ich weiß natürlich, dass mein Idealbild von Vater-Mutter-Kindern in ganz vielen Familien gar keine Realität ist… da sind Eltern getrennt oder geschieden… da gab es einen Todesfall… und die alte Konstellation ist vielleicht schon viele Jahre dahin… da sind emotionale Brüche über Gewalt in der Familie, ganz handgreiflich oder verbal… oder: da gibt es Patchwork-Familien… da zählen sich Leute zu einem Lebensmodell der LGBTQAI+ … und haben ein ganz anderes Idealbild von Familie… oder Familie hat dabei kaum eine Bedeutung… erst letzten Sonntag hat diese Community hier in Freiberg den CSD begangen… begleitet von Protesten, die sich durch diese Lebensmodelle provoziert gefühlt haben.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie an Familie denken?     

Im heutigen Predigttext aus dem Markusevangelium geht es um Familie, ja Jesu Verhältnis zu seiner Familie… und ich muss zugeben: Jesus provoziert mich hier, denn er stellt mein Idealbild von Familie, dieses Bündel an positiven Gefühlen ganz schön in Frage. Hören Sie selber:

Verlesung des Predigttextes Markus 3,31-35 (Lut17)

Ich stelle mir vor. Jesus in diesem überfüllten Haus… er war noch nicht sehr bekannt, gerade am Anfang seines Wirkens… er hatte sich gerade eine Schar von zwölf Jüngern um sich gesammelt… Schriftgelehrte aus Jerusalem hatten von seinem Wirken Wind bekommen und hatten ihn gerade auf die Probe gestellt… da auf einmal kommt die Mutter mit den Brüdern… vielleicht wollen sie Jesus da rausholen… mit ihrer mütterlichen Liebe, ihrer ganz eigenen mütterlichen Autorität unter ihre Fittiche nehmen… vielleicht wollten sie aber auch nur selber zuhören, stolz, dass der Sohn und Bruder sogar Jerusalemer Schriftgelehrten Paroli bieten konnte… die Volksmenge jedenfalls bemüht, die Mutter und Brüder mit dem Sohn zusammenzubringen…. Jesus in dieses positive Gefühl der Familie einzubinden… Und dann diese schroffe Dialog-Antwort: „nicht die da draußen (meine leiblichen Familienmitglieder) sind meine Familie… sondern: wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter“… was für ein Bruch zwischen Jesus und der eigenen Familie… was für ein Bruch mit dem Familien-Bild der Weihnachtsgeschichte.

Was für ein Schock muss das für die Leute am See Genezareth gewesen sein. Familie, der Clan war eine festgefügte Rechtsinstanz. Sie sicherte die Existenz. Sie war Schutzraum und Unterstützung in der Not. Die Mutter war verantwortlich für Kindererziehung, Haushaltsführung und die Weitergabe religiöser Traditionen. Die Mutterschaft war – abgesehen natürlich von der Abhängigkeit vom Familienvater – eng mit sozialer Anerkennung verbunden. Und Jesus bricht damit in aller Öffentlichkeit. Ja, man möchte fast sagen: er brüskiert die Mutter und die Brüder öffentlich vor den Leuten. Warum hat er sie nicht einfach liebevoll in den Kreis mit dazu gebeten Warum hat Jesus nicht gesagt, „Schön, dass meine Familie da ist, sagt ihr, sie sollen warten, bis ich fertig bin“? War er peinlich berührt? Gab es unausgesprochene Konflikte aus den Jahren davor? Warum diese Distanz?

Für mich wirkt diese Geschichte wie ein Ausrufezeichen, wie ein „Achtung! Hier will Markus etwas wichtiges sagen“. Sehen wir, wie es weitergeht. Zunächst lenkt Jesus den Blick auf die versammelten Leute, die um ihn saßen: „Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder!“ – sprach er… ich finde zunächst eine eigenartige Wendung. Stellen Sie sich vor: ich würde zu ihnen sagen Sie da unten sind meine Mutter und meine Brüder… wie würde es Ihnen damit gehen? Stellen Sie sich ihre Nachbarn, ihre Nachbarinnen als eigene, neue Familie vor… würde sie das glücklich stimmen? Wäre diese Familie wirklich die bessere Alternative zur bestehenden Familie, mit all dem Guten und Bösen, das sie mit sich bringt? … mir fällt es sehr schwer, mir das vorzustellen. Und ich glaube, dass Jesus auch gar nicht den Fokus auf die Leute um sich lenken will. Er will auf etwas anderes hinaus: „Wer den Willen Gottes tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“ Radikal lenkt Jesus den Blick weg von allen Beziehungsgeflechten, ja sogar dem zentralen Beziehungsgeflecht der Familie, hin zu Gott… Gottes Wille. Familie ist da, wo Gottes Wille wirklich ist… hier auf Erden und im Himmelreich… so wie es Jesus im Vaterunser beten gelehrt hat: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.“ Und damit passiert zweierlei:

- Zum einen: Es ist sehr auffällig, dass in dieser Geschichte der leibliche Vater von Jesus keine Rolle spielt. Mein Eindruck ist: Gott nimmt diese Vaterrolle hier ein… Jesu Familie, aber auch die ganze Gemeinschaft um Jesus wird diesem Gottvater zugewiesen… Gottes Maßstab ist Richtschnur, ja Schutzmacht und Hilfe für diese Gemeinschaft. Was der Wille Gottes genau ist, wird hier nicht weiter ausgeführt… aber es ist klar, dass er den Blick auf die Mitte des Evangeliums lenkt… so wie wir es in der anderen Geschichte des Barmherzigen Samariters erfahren haben: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst.“ (Lk 10,27)  

- Zum anderen wird dadurch deutlich: es geht Jesus gar nicht um einen Bruch mit der Familie. Familie ist immer da, wo Gottes Liebe in der Mitte ist. Sie erweist sich im Handeln… das ist ein Maßstab des Miteinanders in unseren Beziehungen, ja in der Familie. Und damit gehören natürlich im besten Fall Jesu Mutter und Jesu Brüder auch zu seiner Familie (ob die das so schnell verstanden haben?). Und auf der anderen Seite: Dort wo Hass und Streit das Leben bestimmen, da kommt Familie an ihr Ende. Da wo in einer Gemeinschaft, einem Verein, einer Stadt, einem Land Hass und Streit bestimmen, da ist Gottes Wille weit weg. Da wo auf internationaler Ebene Konflikte geschürt werden, durch Militär andere Länder in die Knie gezwungen werden, da ist Gottes Wille weit weg.

In Freiberg steht am 28. September die Oberbürgermeisterwahl an. Sie wissen: die Plakate hängen überall, zurzeit touren die Kandidaten durch Freiberg und stellen sich vor. Erst auf einer der letzten gemeinsamen Vorstellungsrunden kam die Frage auf: „Wie verhalten Sie sich zur Domsanierung?“ Die Antworten waren wohl durchweg dem Projekt offen gegenüber. Ich glaube aber, Jesus würde noch eine ganz andere Frage interessieren: „Welche Rolle spielt die Liebe zu Gottvater und dem Nächsten in Deinem Leben… Bist Du als Oberbürgermeisterkandidat würdig, für Freiberg dieser Liebe Gottes Dein Handeln unterzuordnen, sie als Richtlinie für ein gelingendes Miteinander in den Vordergrund zu stellen? „Kannst Du ein Oberbürgermeister für alle Menschen in Freiberg sein – ob mit Liebe zum traditionellen Familienbild von Vater-Mutter-Kindern, ob gebrochene Familie in Trauer oder Not oder Familie mit einem ganz anderen Lebensmodell LGBTQAI+ oder was auch immer“

Denn Jesus sagt: „wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“

Der Friede Gottes, welcher höher ist al alle Vernunft, bewahre eure herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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