22.04.2025
über die drei Sprüche (Ps 31,16; Ps 136,1; Lk 2,14) auf den neugeweihten Bronzeglocken der Naundorfer Kirche, gehalten in der Kirche zu Naundorf von Dr. Gunnar Wiegand, Pfarrer am Freiberger Dom
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
noch habe ich den brandig-erdigen Geruch aus der Halle im Sächsischen Metallwerk in der Nase. Fast wäre ich zu spät gekommen, den letzten Parkplatz auf dem Gelände hatte ich ergattert... ich hatte den Weg auf dem weitläufigen Areal, durch das Labyrinth der Fabrik unterschätzt. Ein Arbeiter geleitete mich zur Halle mit den Gussformen. Da standen auch schon der Posaunenchor, die Vertreter und Vertreterinnen der Politik und der Kommune, des Hilliger-Vereins, des Kirchenvorstands und der Ortsvereine, die Pfarrerin und viele interessierte Bürgerinnen und Bürger: ein Glockenguss in Freiberg zum wiederholten Mal, wieder einmal in der Tradition der alten Vorbilder aus der klassischen Hilliger-Zeit… aber natürlich in einem neuen revolutionären Gussverfahren.
Und dann war es soweit: Arbeiter schafften das flüssige Metall über den Kran heran… dann… die Schmelzpfanne gekippt… die Schmelze ergießt sich in die Hohlform… und das dreimal hintereinander… spannend… die Zeit verging wie im Flug… und dann die gefüllten Formen. Jetzt galt es nur noch zu warten…
Besonders spannende Augenblicke waren dann die Öffnung der Formen und die Klangprobe… Und heute sind wir hier. Ein Festumzug zur Kirche mit den Glocken unter Anteilnahme der Kirchgemeinde, aber auch des ganzen Dorfes … Gäste von Außerhalb zeigen, was das für ein besonderer Anlass das ist … heute, an Ostermontag, die Stunde der Weihe… die neuen Glocken ersetzen die beiden alten Eisenhartgussglocken von 1951… nun wieder ein dreistimmiges Bronzeglockengeläut in strahlendem A-Dur… vorhin konnten wir es schon einmal beim Choral herrlich klingen hören… endlich haben Sie wieder ein durchdringendes Geläut: tief, warm und resonant. Bronzeglocken in einem vollen, harmonischen Ton mit einer langen Nachhallzeit. … nach mehrjähriger Zeit des Planens, Wartens, Geldsammelns und Bauens … und wenn die Glocken dann erst im Turm sind, kann sich das ganze Dorf, die ganze Region freuen. Diese Glocken stellen das fünfte bekannte Naundorfer Geläut. Das erste Geläut stammte aus dem 15. Jahrhundert, das zweite von 1841, das dritte von 1922 und das vierte von 1951…
Heute ist Ostermontag. An Ostern feiern Christinnen und Christen die Auferstehung Jesu vom Tod…. Endlich ist mein Fasten wieder vorbei… ich kann mich auf einen Schluck Bier freuen… gestern durfte ich zusammen mit meinen Kindern Ostereier und Ostergeschenke suchen… es gab leckeres Essen: Lammfleisch… und ein Fröhlicher Nachmittag… Schokoladeneier, Kuchen und Kaffeetrinken…
Diese Glocken sind ja für das Dorf wie so ein Ostergeschenk. Ostermontag die Weihe.. und bald können Sie sich an ihrem Klang erfreuen… sie begleiten den Lebensalltag… sie läuten am Morgen, am Mittag, am Abend… sie läuten zu Gottesdiensten… sie läuten zu fröhlichen Anlässen… bei Hochzeiten oder Taufen… sie läuten zu traurigen Anlässen… bei Bestattungen… sie läuten zu den Kirchlichen Hohefesten. Und man muss vielleicht dazusagen: Glocken hatten früher auch die ganz wichtige Aufgabe, die Feuerwehr zu alarmieren… so wie heute es die Sirenen machen… die Glocken verkündeten Großereignisse im Land… wenn z.B. Frieden geschlossen wurde… da haben wir heute andere Möglichkeiten… aber damit stehen diese Glocken auch in einer Tradition dieses Dorfs Naundorf… sie stehen dafür, dass sich Menschen füreinander eingesetzt haben… sie sind das klangliche Bild Naundorfs – über die Grenze der Kirche hinaus. Sie haben die Kraft dieses Dorf zusammenzubringen… nutzen Sie diese großartige Möglichkeit und nehmen Sie dieses Geschenk, dieses Ostergeschenk in ihren Herzen an!... für die Dorfgemeinschaft.
Alle drei Glocken sind mit einem fantastischen Bild verziert.
- Da ist die mittlere Glocke (in Cis). Sie trägt außen ein Dreieck mit Strahlenkranz und Wolke wie über dem Kanzelaltar in der Naundorfer Kirche. Den Bibelspruch dazu haben wir schon im Psalm am Anfang gebetet: Danket dem Herrn, denn er ist freundlich. Hier ist der Spruch aus Psalm 136 entnommen Dieses Symbol steht für Gott selber. Dieser Psalm erzählt die Geschichte Israels von der Schöpfung bis zur Wanderung durch die Wüste ins gelobte Land. Die Leute wussten, dass es im Leben immer wieder Durststrecken gibt. Es läuft nicht gut auf der Arbeit, da gibt es Ärger im Privaten… ja, oder auf kommunaler Ebene muss um Gelder gerungen werden… und die Frage: woher nehmen? Wie kann ein Haushalt geschlossen werden? Wie können Mehrheiten gefunden werden… auch ich kenne das: auch in der Kirche mussten wir immense Anstrengungen unternehmen, um zu sparen und den Haushalt dicht zu kriegen. Dieser Psalm zeugt aber davon: Gott hält diese Welt in seinen Händen. Er ist freundlich und gütig. Und am Ende werden auch diese Durststrecken überwunden… das Gottesvolk ist irgendwann im Gelobten Land angekommen… Hier in Naundorf mussten Sie seit der Nachkriegszeit mit weniger wertigen Eisenglocken auskommen – die haben es auch getan, für die damalige Situation war das auch ein riesiger Kraftakt. Das war so eine Zeit der Überbrückung. Und seit heute haben Sie diese wunderbaren wertigen Bronzeglocken. Gott ist freundlich… seine Güte währt ewig. Dafür dürfen wir ihm danken… und natürlich allen, die einen Beitrag zum Gelingen dieses Bauvorhabens geleistet haben: der Kirchenvorstand, der Ortsausschuss, der Hilliger-Verein, das Sächsische Metallwerk Freiberg, die Kommune, die Landeskirche, die Vereine, die heute hier mitwirken, die Spenderinnen und Spender, alle, die dieses Fest vorbereitet haben und heute hier mitmachen…
Zurecht heißt diese Glocke auch: Dank- und Gottesdienstglocke!
- Dann ist da die große Glocke (in A). Die griechischen Buchstaben A und Ω, verbunden mit einem Kreuz zieren sie. Das Symbol steht für Jesus Christus. Der Bibelspruch lautet Meine Zeit steht in deinen Händen und stammt auch aus einem Psalm (Ps 31,16). Da sind wir mitten in Ostern gelandet. An Ostern feiern wir Christinnen und Christen die Auferstehung Jesu vom Tod. Das ist für uns das Bild: mit dem Tod ist es nicht vorbei. Es gibt das ewige Leben. Dieses Leben hat ein Ziel: Gott. Und sie hören schon „ewiges Leben“, „Ewigkeit“. Das ist eine völlig andere Dimension, außerhalb der Zeit. Christus ist vom Tod auferstanden und nun in dieser Ewigkeit, auf die die Christinnen und Christen hoffen. Der Spruch auf der Glocke zeugt genau davon: Meine Zeit steht in deinen [Gottes] Händen. Und das heißt aber auch: dieses Leben ist von Gott getragen. Im Psalm 31 spricht einer, dem es ganz dreckig geht, er wird angefeindet von den Menschen um ihn herum, er hadert mit seiner Gemeinschaft, einer Dorfgemeinschaft? Er hat eine völlig andere Ansicht als die Mehrheit um ihn herum… wird dafür ausgegrenzt.
Ich kenne das gut: Auch ich musste schon viele Anfeindungen in meinem Leben hinnehmen, manches unter der Gürtellinie… Wie ist das bei Ihnen? Ich glaube jeder und jede hat da seine Strategie mit so etwas umzugehen… aber manchmal entgleitet die… und dann ist es gut, diesen Halt zu haben, zu wissen… da ist doch auch noch dieser Gott… er hält mich am Ende, auch wenn vielleicht sonst jeder Halt vorbei ist.
Nun haben Sie diese Glocken in Naundorf… sie läuten bei Beerdigungen… und erinnern: Du bist nie ganz allein… da ist doch auch noch Gott, der dir dein Leben geschenkt hat. Und die Glocken erinnern: Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Und das ist auch den Menschen verheißen.
Diese Glocke ist die Ewigkeitsglocke.
- Zuletzt ist da noch die kleine Glocke (in E). Eine Taube mit einem Zweig verziert ihr Äußeres. Die Taube steht für Gott den Heiligen Geist und sie steht für den Frieden. Eine Taube mit einem grünen Zweig im Schnabel ist Noah nach der Sintflut erschienen. Die Taube ist auch das Symbol für den Frieden. Wenn Metall in einer Glocke gebunden ist, dann kann dieses Material nicht für Waffen eingesetzt werden (wie es ja leider immer wieder bei den verschiedenen Glocken in der Geschichte Naundorfs passiert ist). Und somit steht die Glocke selbst für den Frieden. Frieden bewahren… wie kann das am besten gelingen? Die einen rufen in den Ostermärschen nach radikaler Abrüstung. Dem stehen die Rekordausgaben im Militärwesen gegenüber… Frieden nur durch militärische Abschreckung. Ein schwieriger Spagat. Viel greifbarer und näher: der Frieden hier in unseren Lebensvollzügen, in den Familien von Naundorf, in der Dorfgemeinschaft, in der Lokalpolitik… ich glaube hier kann jede und jeder ganz konkret friedfertig handeln. Gegenseitig zuhören statt anbrüllen. Aufeinander zugehen anstatt sich in seine Bubble von Gleichgesinnten zurückzuziehen, miteinander feste feiern, statt anonyme Posts im Internet raushauen. Der Spruch auf dieser Glocke lautet: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden. Das ist doch ein bekannter Spruch, den sogar viele Kinder kennen. Aus der Weihnachtsgeschichte (Lk 2,14). Dort singen die Engel und verehren das schwache Jesus-Kind in der Krippe.
Diese kleine Glocke ist die Friedens- und Gebetsglocke.
Da haben Sie in Zukunft diesen Dreiklang: A-Cis-E, diesen Dreiklang aus Dank, Lebenszeit und Frieden. Da haben Sie Gottvater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist. Und wenn Sie aufmerksam lauschen, klingt er über die Häuser und Fluren Naundorfs:
Gloria sei dir gesungen
mit Menschen und mit Engelzungen,
mit Harfen und mit Zimbeln schön.
Kein Aug hat je gespürt,
kein Ohr hat mehr gehört
solche Freude.
Des jauchzen wir und singen dir
das Halleluja für und für.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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