16.08.2025
von Superintendentin Hiltrud Anacker
Paulus schreibt: "Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus." (Phil. 3,13b.14)
Liebe Leser und Leserinnen!
Einer packt seinen Koffer und geht! Er fährt nicht in den Urlaub. Er will einfach nicht mehr weiter machen wie bisher. "Das kann doch nicht alles gewesen sein. Immer der gleiche Trott, derselbe Ort, dieselbe Arbeit, dieselben Menschen. Ist doch alles Mist! Alles nicht mehr, was es einmal war." Oder sie: "Mein Leben ist, wie es ist, furchterregend. Wie aber wird es weiter gehen? Ich habe Angst vor dem, was auf mich zukommt." Menschen schauen zurück und nach vorn. Sie werten das, was war, und wollen, dass sich etwas ändert. Und manche fliehen aus ihrer Situation. Vielleicht erinnern Sie sich an eigene Erlebnisse: "Nur weg hier!"
Der Apostel Paulus sitzt im Gefängnis. Das ist ihm in seinem Leben mehrfach passiert. Er passte nicht ins Raster, was man tut und was nicht. Er erzählte frei von dem, was er von Jesus erfahren hatte: Ein Gott, der den Menschen wirklich helfen will, um ihnen eine Perspektive zu schenken, dass bei Gott alles gut werden kann. Paulus spricht dabei immer von Kreuz und Auferstehung Jesu Christi als diesem Weg zu Gott. Diese Predigten passten so gar nicht zu dem, was die Menschen sonst hörten. Und ins System passte es auch nicht. Deshalb wurde Paulus mehrfach gefangen genommen. Aus welchem Ort er schreibt, weiß man nicht so genau. Derzeit diskutieren die Theologen, ob es die Gefangenschaft in Ephesus oder in Rom sein könnte. Wenn er aus Rom schreibt, ist er inzwischen schon ein älterer, wenn nicht alter Mann geworden. Sein Brief an die Philipper erscheint anders als üblich. Er schreibt "frei von der Leber weg". Das tut er nicht so oft. Sonst packt er lieber ein theologisches Thema an, das er für die Adressaten für wichtig hält, und betrachtet es von allen Seiten. Hier aber schreibt er an die Christen in Philippi, wie ihm gerade zumute ist. Wie sein Prozess ausgehen wird, ist offen. Er hat es satt: "Nur weg hier!" Seinen Koffer kann er nicht packen. Aus dem Gefängnis kann man nicht gehen, wie man will. Die Philipper sorgen sich um Paulus. Sie haben gesammelt, um ihn zu beschenken ("für meinen Bedarf" schreibt er). Sie besuchen ihn auch. Das tut ihm gut. Aber wie wird es weiter gehen? Paulus ist des Lebens müde geworden. Er mag nicht mehr. Als alter Mensch darf das so sein.
Was hilft in einem so deprimierendem Zustand? Manchmal Koffer packen, aber nur manchmal. Manchmal hilft es, aus der Situation zu fliehen, auch nur manchmal. Und Paulus? Er erinnert sich selbst an das, was er so oft gepredigt hat. Was auch immer ist, ich kann nach vorn schauen, nach der Perspektive, die Jesus geschenkt hat, "nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus." Das klingt wie eine Vertröstung auf das Jenseits.
Für mich ist es das nicht. Ich kenne den Wunsch nach dem "nur weg hier!" Ich spüre meine Hilflosigkeit, wenn ich die großen Nöte der Menschheit insgesamt betrachte. Ich erlebe aber auch, dass ich in meinem Umfeld etwas tun kann wie die Philipper, die Paulus etwas ins Gefängnis bringen, damit er z.B. nicht hungern muss (dafür dankt er im nächsten Kapitel des Briefes). Der Glaube an den "Siegespreis" motiviert mich, meine Möglichkeiten heute auszuloten und nicht im Klagen zu versinken, was alles "Mist" ist. Gott will nicht, dass Angst unser Leben bestimmt.
Amen.
Gebet
Du, unser Gott, forderst uns heraus.
Immer wieder und schenkst uns zugleich Schutz und Geleit.
Immer wieder wird es notwendig, dass wir uns neu orientieren,
immer wieder wichtig, unseren Weg zu hinterfragen.
Du traust uns viel zu. Dazu bitten wir um Zuversicht und Kraft.
Wie gut, dass Du uns Deinen Geleitschutz gibst, an jedem neuen Tag.
Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.
Segen
Gott kennt dein Gestern,
gib ihm dein Heute,
er sorgt für dein Morgen.
(Ernst Modersohn)
So segne und behüte dich der barmherzige Gott:
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.
Herzlich grüßt Sie
Hiltrud Anacker
Superintendentin
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