Andacht zum 14. Sonntag nach Trinitatis, 21. September 2025

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Andacht zum 14. Sonntag nach Trinitatis, 21. September 2025

20.09.2025

von Dr. Gunnar Wiegand, Pfarrer des Freiberger Doms

Liebe Leser und Leserinnen! 

Der Herbst ist da, auch das Kirchenjahr geht in seine letzte Phase. Im Laufe des Kirchenjahrs vollziehen wir im übertragenen Sinn den Heilsweg Jesu nach. Mit Jesus ist das Reich Gottes unter uns angebrochen, erfüllt und vollendet wird es am jüngsten Tag. Der jüngste Tag markiert das Ende der Zeiten. Wann er kommt, wissen wir nicht. Am Ewigkeitssonntag, dem letzten Sonntag des Kirchenjahrs erinnern wir an dieses Ende der Zeit.

Zum „Wie“, also wie dieses Ende genau passieren wird, gibt es unterschiedliche Aussagen und Bilder in der Bibel (z.B. Ez 37,1ff; Mt 25,31ff; Apg 3,21a; Offb) – was da aber genau passieren wird, weiß nur Gott alleine.

Eines aber ist sicher: vor dem jüngsten Tag ereilt einen jeden Menschen der Tod. Mit dem Tod müssen wir uns auseinandersetzen, wenn er in unserem unmittelbaren Lebensumfeld eintrifft… manchmal absehbar, oft aber auch ganz plötzlich und unerwartet. Der Tod hat ein doppeltes Gesicht: „Er ist Diener Gottes, der das Leben an sein gutes und schöpfungsgemäßes Ende bringt. Und er ist zugleich der Feind Gottes und der Menschen.“ (EEK) Niemand kann dem Tod entrinnen. In vielen Fällen ist er für Menschen eine Erlösung nach einem langen und erfüllten Leben. Andererseits ist er immer schrecklich, vielleicht durch seine unerwarteten Umstände oder weil der geliebte Mensch nicht mehr unter uns ist.

Hat man bis vor einigen Jahrzehnten den biologischen Tod vermeintlich eindeutig definiert, ist die heutige Medizin vorsichtiger geworden. Sie beschreibt den Tod als einen Sterbeprozess – das hat möglicherweise Folgen für Ihren Umgang mit Patientenverfügung und Organspende. Informieren Sie sich umfassend und von verschiedenen Blickwinkeln, um am Ende für sich selbst eine ausgewogene Entscheidung zu treffen. Aber stellen Sie sich bei Zeiten diesen Fragen und beziehen Sie Position.

An zahlreichen Stellen wird der Tod in der Bibel thematisiert – ja, Jesus Christus, Gottes Sohn, stirbt am Kreuz. Er überwindet aber den Tod und ersteht am dritten Tag wieder auf. Gott selbst durchlebt das grauenvolle Sterben, nimmt aber durch die Auferstehung dem Tod den Schrecken – auch hier sehen wir das doppelte Gesicht des Todes. Unter den vielen – teils mythologischen – Bildern des Todes in der Bibel sind für mich zwei Textstellen von zentraler Bedeutung:

  • Römer 6,3ff. Uns wird es ergehen wie Christus. Als getaufte Christen werden wir sterben. Der Tod ist unwiederbringlich, einmalig – das Leben ist vorbei. Wir werden bestattet, unser Leib vergeht zu Staub, Asche und Erde. Am jüngsten Tag werden wir vom Tod auferweckt. Wir erstehen durch Christus vom Tod mit einem neuen „geistlichen Leib“ (1. Kor 15,44) auf.
  • Lukas 16,22. Ganz unmittelbar ist der Tod als eine Art Schlaf zu beschreiben – wie es in der Geschichte des Armen Lazarus zum Ausdruck gebracht wird. Auch Paulus benutzt das metaphorische Wort des „Aufweckens/Auferweckens“ (εγείρω). In zahlreichen christlichen Liedtexten kommt dies zum Ausdruck. Eines der schönsten Bilder hat Johann Frank (1618-1677) in seinem Lied „Du, o schönes Weltgebäude/ Komm, o Tod, des Schlafes Bruder“ gedichtet:

 

Komm, o Tod, des Schlafes Bruder, komm und führe mich nur fort!
Löse meines Schiffleins Ruder, bringe mich zum sichern Port!
Mag, wer immer will, dich scheuen,
mich vielmehr kannst du erfreuen,
denn durch dich komm‘ ich hinein
zu dem lieben Heiland mein.

Es ist festzuhalten: die Seele befindet sich wie in einem Zustand eines traumlosen Schlafes, der uns zu Christus führt.

Aus diesen theologischen Voraussetzungen ziehe ich für mich fünf konkrete Schlussfolgerungen, die ich Ihnen als Orientierung mit auf den Weg geben möchte:

  1. Ich persönlich lehne entschieden den Glauben ab, dass Seelen unabhängig von der Rückbindung an den Leib wie Geister um uns herumschwirren. Das ist eine – in ihren Ursprüngen aus der antiken griechischen Philosophie stammende – Fiktion. Horrorfilme greifen sie auf. Mit dieser Schreckensvision hat die Kirche über viele Jahrhunderte den nicht-biblischen Glauben an das Fegefeuer gerechtfertigt. Wir leben aus der Hoffnung auf die Auferstehung. Und genauso sterben wir. Paulus schreibt das so: Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn (Römer 14,8).
  2. Die Folgen des Sterbens und des Todes können medizinisch und naturwissenschaftlich beschrieben werden: Das Leben erlischt in verschiedenen Stufen, der Leib geht in Verwesung über, der Leib wird zu Erde, zu Asche und zu Staub – so heißt es auch beim dreimaligen Erdwurf zur Bestattung. Daher ist für mich die Frage nach der Beisetzung von Leichnam oder Asche zweitrangig. Für den Trauerprozess der Angehörigen ist es häufig tröstlicher, am Leib des Verstorbenen Abschied nehmen zu können, ihn leiblich zu bestatten. Das ist bei der Asche in den Urnen nur im übertragenen Sinn möglich. Sie müssen – in Abwägung des letzten Willens Ihres Angehörigen und Ihrer persönlichen Trauer – entscheiden, welchen letzten Weg Sie mit dem Verstorbenen gehen möchten.
  3. Christliche Bestattungen sind als Gottesdienste geprägte Rituale, die der Trauer der Angehörigen Raum schenken und gleichzeitig auf die Hoffnung der Auferstehung Jesu Christi hinweisen. Christliche Gottesdienste, so auch Bestattungsgottesdienste, haben seit jeher ihren Ort im Kirchengebäude. Viele christliche Kirchen entstanden über den Katakomben, den antiken christlichen Bestattungslagern. Über viele Jahrhunderte wurden – in erster Linie Menschen der geistlichen und weltlichen Obrigkeit – in Kirchen beigesetzt. Erst mit dem Aufkommen des Hygiene-Gedankens entstanden seit dem 19. Jahrhundert kommunale Trauerhallen. Bestattungsgottesdienste können daher gleichermaßen in Kirchen oder in Trauerhallen gefeiert werden. Weltliche Trauerfeiern dürfen in der Regel aus rechtlichen Gründen nicht in Kirchen stattfinden.
  4. Für die Aufarbeitung der Trauer ist es gut, dort zu bestatten und den Trauergottesdienst zu feiern, wo es ein Grab gibt. Das Grab ist ein Ort der Erinnerung. Dieser Ort befindet sich in der Regel am nächstgelegenen Friedhof. Freilich kann es manchmal sinnvoll sein, Familiengräber zu nutzen, die sich an einem anderen Ort – womöglich weiter weg – befinden. Wichtig erscheint mir, dass es einen Gedächtnisort gibt, an den man, v.a. im Alter, möglichst einfach zurückkehren kann.
  5. Friedhöfe sind stille Orte der Trauer, des Abschiednehmens, des Friedens und der Begegnung – für Christen und Nicht-Christen. Zugleich haben sie den Rechtsstatus als Körperschaften öffentlichen Rechts. Beide Aspekte sind zu berücksichtigen, wenn es um die Frage der Gestaltung von Gräbern geht. Es gibt klare Vorgaben und Regeln bei der Gestaltung der Grabstellen, es gibt klare Regeln für die Gebühren, es gibt klare Regeln für die Entsorgung der Abfälle etc. Alle Angehörigen und v.a. Nutzungsberechtigte der Gräber haben sich an diese sogenannte Friedhofsordnung (Ortsgesetz) zu halten, damit der Friedhof ein stiller Ort der Trauer, des Abschiednehmens, des Friedens und der Begegnung sein und bleiben kann – auch wenn die eigenen Vorstellungen bisweilen von den Vorgaben der Friedhofsordnung abweichen. Bitte respektieren Sie das!

Es ist Herbst. Das Kirchenjahr geht in seine letzte Phase. Am Ewigkeitssonntag gedenken wir der Verstorbenen unserer Gemeinden. Ich wünsche Ihnen in Ihrem Leben Raum für die Trauer und vor allem den Trost des Evangeliums. Das Reich Gottes ist mitten unter uns angebrochen, auf seine Erfüllung warten wir bis zum jüngsten Tag. Hier wird Christus über uns Menschen richten. Das verbietet uns, dass wir uns im Angesicht des Todes gegenseitig in gut und schlecht einteilen. Am jüngsten Tag wird alles durch Gott offenbart werden.
Amen.

Gebet

Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.

Segen

Es segne und behüte Dich Gott der Allmächtige und Barmherzige, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

Herzlich grüßt Sie

Dr. Gunnar Wiegand, Pfarrer des Freiberger Doms

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