Predigt zum Neujahrstag, 1. Januar 2025

Predigtarchiv

Predigt zum Neujahrstag, 1. Januar 2025

01.01.2025

Predigt zum Neujahrstag, 1. Januar 2025 über Josua 1,1-9 (Lut17); gehalten im Dom zu Freiberg von Dompfarrer Dr. Gunnar Wiegand

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Stille..

Liebe Gemeinde,

heute ist Neujahr, noch klingt das Zischen und Bersten der Raketen und Knaller in meinem Ohr, das Leuchten des bunten Feuerwerks, der beißende Geruch des Rauchs in der Nase, die Freude zum „Prost Neujahr“ noch in meinem Herzen.

Ja, heute ist Neujahr. Es fühlt sich noch leer an, leer aber mit Erwartungen. Mein Amtskalender zwar schon durchterminiert, aber noch weitgehend unbeackert. Da ist viel vor mir… viele unbeschriebene Blätter. Was wird kommen? Wie wird dieses Jahr?... welche sind Ihre Erwartungen? Haben Sie überhaupt Erwartungen oder nehmen Sie es, wie es ist? Sind Ihre Erwartungen hoffnungsvoll? – „es kann ja nur besser werden“ oder „es wird bestimmt besser“… Oder haben Sie Angst vor dem Kommenden, ganz persönlich, in der Familie, im persönlichen Umfeld?...

Sie merken… diese Stimmung hat viel mit den Erfahrungen aus dem letzten Jahr zu tun, viel mit dem „Rucksack“, den Sie aus 2024 mitbringen. Hatten Sie den Verlust eines geliebten Menschen zu betrauern, war es ein gutes Jahr? Wie stark lassen Sie sich von Politik, den Medien, den Sozialen Medien beeinflussen?

Vor einem Neuanfang stand vor sehr langer Zeit auch das Volk Israel… es war noch in der frühen Zeit ihrer Wanderung von Ägypten ins gelobte Land… so wie es die Bibel erzählt. Es gab einen krassen Einschnitt… Mose, der Führer dieser wandernden Volksmenge, war östlich des Jordans verstorben. Josua war zu seinem Nachfolger ausersehen worden. Und dieser erhielt nun von Gott den Auftrag, diesen Weg weiter zu gehen... über den Jordan, nun endlich in das Land in dem „Milch und Honig“ fließen sollen.

Für die Israeliten auch eine Situation wie vor einem unbeschriebenen Blatt… einiges zeichnete sich schon ab, vieles war noch ganz unbekannt. Auch bei diesen Leuten eine Mischung aus Trauer (Mose war tot), Angst vor dem Ungewissen, aber auch Freude auf die Verheißung. Und in diese Situation richtet Gott sein Wort an Josua. Hören Sie den Predigttext für den heutigen Neujahrstag:

Verlesung Predigttext Josua 1,1-9 (Lut17)

Ja eine Episode des Aufbruchs. Er berichtet von Josua und die Weisung an ihn. Das ist der Auftrag an das Volk Israel… und damit ein Stück der erzählten Geschichte Israels. Historisch legendär, real wohl eher in der Zeit des Perserreichs zu verorten. Diese Erzählung machte den Heimkehrern aus dem Exil in Babylon Mut. Er machte Mut in dieses völlig unbekannte Land, der Satrapie Syrien/Palästina umzusiedeln… die Israeliten und Juden der jungen Generation kannten es ja nur aus Erzählungen ihrer Großväter und den Heiligen Schriften: „…Sei getrost und unverzagt. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der Herr, dein Gott ist mit dir in allem was du tun willst.“ Eine Mut-Mach-Geschichte, wieder in dieses Land am Mittelmeer zurückzukehren.

Zugleich aber weckt dieser Text auch unglaubliche Erwartungen. Eine riesige Region „von der Wüste bis zum Libanon und vom großen Strom Euphrat bis an das Meer gegen Sonnenuntergang, das ganze Land der Hetiter soll euer Gebiet sein.“… wir reden da von den heutigen Staatsgebieten Israels/Palästinas, Libanon, Syrien, Jordanien bis in den Irak. Konflikte sind angebahnt, denn dort wohnen ja bereits Leute: die Hethiter. Und zu Konflikten wird es immer wieder kommen… schon das Josua-Buch ist voll mit Kriegen gegen Völker, die westlich des Jordans sesshaft waren. Also Erwartungen, die Aussicht auf Auseinandersetzungen und Kriege…. Und dann im Rückblick: auch immer wieder das Scheitern Israels an diesen Ansprüchen, die Gott hier Josua eingibt… die Kämpfe in der Region toben ja bis zum heutigen Tag – wenn gleich unter anderen Rahmenbedingungen… und in diesem Sinn eigentlich eine für mich furchtbare, ja nahezu unerträgliche Geschichte.

Und jetzt stellt sich die Frage: Was kann uns dieser Text zu Beginn dieses neuen Jahres 2025 mitgeben?

- Für mich bedeutet dieser Text erst ein Mal einen großen Anspruch: offenbar braucht es diese großen Ansprüche, diese Großen Pläne, diese großen Projekte im Leben… Befreiung aus Einengung und Versklavung. Es braucht große Projekte… vielleicht um sich frei zu fühlen. Aber dann auch Neugierde auf Neues, auf Neuland…. Freude, das weiße unbeschriebene Blatt zu füllen… mit eigenen Gedanken, der eigenen Kreativität. Spaß am Entdecken. Und möglicherweise auch den ein oder anderen Konflikt dabei.

So ein gewaltiges Projekt ist für mich in unserer Gemeinde die Domsanierung. Ich bin jetzt schon gespannt, wie die konkreten Pläne für die Umsetzung der künftigen Gestaltung sein werden. Ich bin jetzt schon gespannt, wie teuer es werden wird und ich bin jetzt schon gespannt, wie die Umsetzung der Sanierung konkret erfolgen wird… eine echte Herkulesaufgabe für den Architekten, die Bauleute und Firmen der ja mit so einem Bauvorhaben auch keine riesigen Erfahrungswerte haben… aber auch eine Herkulesaufgabe für die Gemeinde, die Dommusik, den Tourismus, dabei allen Ansprüchen entgegen zu kommen. Einschränkungen wird es definitiv geben. Und die Geschichte Israels vor dem Anspruch dieser Vision des Josua zeigt: wir können auch scheitern. Scheitern nimmt Gott in Kauf mit diesem gewaltigen Anspruch, dass Israel ein Großreich besiedeln soll, die Großmacht der Hethiter gleichsam unterwerfen wird… wohl ein aussichtsloses Unterfangen… aber immerhin haben sie Teilerfolge gehabt und kleinere Stammesverbände im südlichen Bereich bezwingen können. Neben die Freude an Großprojekten gesellt sich da durchaus auch Mutlosigkeit und Angst… und damit komme ich zum wohl zentralen Satz des Textes… er ist fast nur zwischen den Zeilen durchschimmernd… aber wie ein Refrain hineinverwoben…

- „Sei getrost und unverzagt…“ – übersetzt Luther die Ausschnitte in den Versen 6, 7 und 9. Wörtlich übersetzt eigentlich: „sei stark und mutig“… und dann fügt Gott noch hinzu: „Habe keine Angst und fürchte dich nicht, denn der Herrgott ist mit dir, wohin du auch gehst.“

Ob durch Höhen oder Tiefen, kleine Projekte, oder Projekte, die wir nicht bis ins Letzte im Griff haben…. Gott ist da. Er schenkt Mut und lässt uns immer wieder neu Ansetzen… Die Israeliten haben den Jordan überquert… und sie haben mit der Zeit eine eigene staatliche Identität geschaffen… trotz vieler Rückschläge. Mir macht das Mut. Mir macht es Mut auch so ein gewaltiges Projekt wie eine Domsanierung mit vielen Unwägbarkeiten anzugehen…. Es wird schon… es wird gut. Und ich denke, dass durch diese Worte Gottes auch klar wird: wir haben nicht alles immer nach den eigenen Vorstellungen in der Hand. Es braucht Gelassenheit, wenn es anders kommt als erwartet, es gilt Kompromisse zu finden. Und es gilt vor allem: realistisch bleiben, auf dem Boden bleiben… so gut es eben geht.

- Noch etwas: Über diesen Vers habe ich sehr viele Trauer- aber auch Hochzeitspredigten gehalten. Er hat für viele Leute eine große tragende Bedeutung im Leben. Ein Ehepaar erzählte mir mal zu ihrer Silbernen Hochzeit, warum es diesen Spruch ausgesucht hat: Die Eheleute haben in Zeiten des Umbruchs der Wende geheiratet. In dieser Zeit hat Ihnen Gottes Wort einen ganz neuen Raum eröffnen: gegenseitige Verbindlichkeit, ein Raum der gegenseitigen Liebe und Verlässlichkeit, ein Schutz für ihre junge Tochter und die künftige Familie – wo alles um sie herum grundlegend verändert hat, Arbeit, Beruf, Freundschaften und soziale Bindungen. Der Trauspruch, den sie damals gewählt haben, hat sie die vielen Jahre ihrer Ehe getragen…. Dass dieser Vers für Sie eine so tragende Rolle haben könnte, wünsche ich Ihnen auch für dieses neue Jahr: „Sei getrost und unverzagt… Habe keine Angst und fürchte dich nicht, denn der Herrgott ist mit dir, wohin du auch gehst.“

Heute ist der erste Tag im neuen Jahr 2025. Sie bringen ganz unterschiedliche Gefühle, Erwartungen, Hoffnungen und Ängste mit… ja das Leben kann schief gehen, ja das Leben wird immer wieder schief gehen… aber Vieles läuft eben auch sehr gut… wie die Geschichte Israels immer wieder zeigt. Und es bleibt da dieser Zuspruch Gottes zwischen den Zeilen. Er begleitete die Leute bei der Eroberung des Landes jenseits des Jordan, er begleitete die Menschen bei der Rückkehr in die Satrapie Palästina zur persischen Zeit, er begleitete viele Christen als Taufspruch, Konfirmationsspruch oder Trauspruch auf ihrer Lebensbahn und darüber hinaus. Nehmen sie ihn als Ermutigung in dieses Jahr und fügen Sie ihn ihrem unbeschriebenen Blatt immer wieder bei. Ich wünsche Ihnen ein von Gott gesegnetes und erfülltes Jahr 2025. „sei stark und mutig. Habe keine Angst und fürchte dich nicht… Gott ist mit Dir!   

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

alle Predigten


Kommentare

Keine Kommentare

Kommentar hinzufügen

Felder mit Stern (*) müssen ausgefüllt werden.

nach oben