Predigt zum 8. Sonntag nach Trinitatis, 30. Juli 2023

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Predigt zum 8. Sonntag nach Trinitatis, 30. Juli 2023

31.07.2023

zu Matthäus 5, 13 - 16; gehalten von Pfr. Justus Geilhufe

Liebe Schwestern und Brüder,

in der vergangenen Woche hatten wir am Schluss der Predigt auf Dietrich Bonhoeffer gehört. Ein dickes Buch hat er über die Nachfolge geschrieben. Darüber wie Jesus in der Bergpredigt die Nachfolge beschreibt und das Kirchenjahr will es, dass wir heute den Beginn dieser Bergpredigt zum Predigttext haben.
Zwei Bilder sind es die Jesus benutzt. In zwei Bildern macht er deutlich, was das Wesen der Kirche, die Existenz von uns Christen hier in dieser Welt ist. Wir sind das Salz der Erde und wir sind das Licht der Welt. Zwei Bilder. Kraftvoll und schön. Und doch in jeder neuen Zeit erklärungsbedürftig, in jeder neuen Zeit wieder neu mit Leben zu füllen. Denn jede Zeit, braucht die Nachfolge von uns neu. Jede Zeit hat ihre Not, jede Zeit wird kraftlos und fad, wenn die Kirche die Nachfolge nicht mit Leben zu füllen vermag.
Deshalb bewegt mich jedes Mal wieder ein Satz auf dem Predigttext besonders: Es ist die Frage Jesu. Die Frage, die natürlich als rhetorische Frage zu verstehen ist aber als solche nur umso stärker, umso ernster von ihm gemeint ist: Was, wenn nun das Salz nicht mehr salzt?
Vielleicht haben Sie diesen Satz noch gar nicht so bewusst gehört. Und jene unter ihnen die ihn schon des Öfteren wahr genommen haben, hören ihn eher mahnend, als Erinnerung, dass es schade wäre, das Salz würde nicht mehr salzen. Es ist aber ernst – sehr ernst von Jesus gemeint. Und wir, die wir hier aufgewachsen sind und leben, wissen, wie ernst.
Wenn das salz nicht mehr salzt, wenn die Kirche nicht mehr vermag die Welt zu durchdringen, dann ist das nicht schade, dann ist das eine Katastrophe. Ich glaube wir sind uns dessen manchmal nicht bewusst, weil für uns die ungesalzene Erde, das Leben in einer entkirchlichten Welt, der ganz normale Alltag ist. Wir sind es seit drei Generationen gewohnt in einer Welt zu leben, die entkirchlicht ist. Wer heute hier am Sonntagmorgen in den Dom kommt, ist einer von ganz Wenigen. Vielleicht brauchen wir daher auch einmal den Blick von außen, um zu verstehen, wie dramatisch all das eigentlich ist.
1990 ist ein junger britischer Journalist vom Daily Express nach Moskau geschickt worden, um den Umbruch in der ehemaligen Sowjetunion zu beobachten und von ihm zu berichten. Er kam dorthin, selber von den Ideen des Kommunismus angetan und war jeden Tag mehr davon schockiert, wie unendlich gewaltvoll, gefühllos und chaotisch sich diese Gesellschaft darstelle, in die er geschickt worden war. Jede Familie war von Gewalt, Alkoholismus oder Scheidung betroffen. Ca. 4 Millionen Geburten standen beinahe 7 Millionen Abtreibungen gegenüber. Die Mordrate schnellte durch die Decke und die Achtung vor den Schwächsten in der Gesellschaft, den Waisen, denen mit einer Behinderung, den Armen und Alten existierte nicht mehr. Diese Hölle Moskaus verstand Peter Hitchens irgendwann nur noch dadurch, dass diese Hölle eine war, in der es kein Christentum mehr gab. Anders war es ihm nicht möglich zu erklären, wie eine Welt so grausam werden konnte wie Russland 1990.
Eine Gesellschaft, die entkirchlicht ist – ist am Ende. Das zeigt das Schlaglicht aus Moskau und das zeigt unser Leben in einer Welt, in der vieles von dem, was das Leben zu einem Guten, einem Schönen und Wahren macht, nicht existiert. Es ist eine Welt, in der die Dörfer keine Bürgermeister mehr finden, weil sie sich der Unbarmherzigkeit des politischen Gegners und der eignen Mitmenschen nicht mehr aussetzen wollen. Es ist eine Welt, in der wir kaum mehr miteinander reden, weil wir vergessen haben, dass es eine Wahrheit gibt, die uns alle miteinander verbindet. Es ist eine Welt, in der die Schönheit dieses Domes zum Fremdkörper geworden ist.
Es ist unstrittig, dass diese Welt, die Kirche braucht, dass die Gesellschaft den Glauben an Christus für ihr eigenes Überleben braucht. Manchmal merkt sie das sogar - nur eines, eines wird die Welt nie tun: Niemals wird sie von sich aus die Kirche darum bitten, neu in der Gesellschaft zu wirken, die fade Wirklichkeit dieser Welt neu zu salzen. Die Welt weiß nichts von uns und sie wartet nicht auf uns. Es ist immer und immer wieder neu an uns und nur an uns, das Salz, das Licht, den Glauben wieder in die Welt zu bringen.
Die Frage ist: wie machen wir das? Hier kommt das zweite Bild Jesu in den Blick: Ihr seid das Licht der Welt. Die Formulierung von Paulus lautet: Wandelt als Kinder des Lichts. Und in dem Moment, in dem ich es ausspreche, merken wir, wie schwer wir uns damit tun. Fast wie 1990 tut sich die Kirche damit schwer. Wie vor 30 Jahren als die Kirche wenig Kraft hatte, die Gesellschaft neu zu prägen, so ist es auch heute. Nur der Unterschied ist, dass vor 30 Jahren die Kirche vom Sozialismus zu Grunde gerichtet worden war und die Kirche heute nicht. Aber auch unsere Kirche heute in Ost vor allem aber in West ist kraftlos. Als fände sie nicht zu ihrem Weg, ihrer Form und Art und Weise, das Licht der Welt zu sein.
Und wie immer, wenn die Orientierung fehlt, gleicht das Verhalten von uns allen in unserer Kirche aber natürlich vor allem von jenen, die viel Verantwortung und damit Druck mit sich herum tragen, einem Irrlichtern und Herumsuchen, das immer schneller und verwirrender um sich selbst kreist. Immer in der Hoffnung mit wenigstens irgend etwas bei den Menschen da draußen zu verfangen. Als hätten wir das Vertrauen darauf verloren, was Jesus uns sagt, dass wir nämlich das Licht der Welt nicht werden müssen, sondern schon längst das Licht der Welt sind.
Wir sind das Licht der Welt, weil wir mit ihm zu tun haben,  weil wir verbunden sind mit dem, der dieses Licht auf diese Welt wirft. Nicht mit neuen und kreativen Ideen von uns, sondern nur im Vertrauen darauf, wächst die neue Kirche und mit ihr eine neue Gesellschaft heran. Nur im Vertrauen darauf, wird die Welt wieder neu. Denn wie das Licht auf alles fällt und alles und jeden erhellt, so tut es auch die Kirche, die in diesem Licht wandelt. Die Kinder des Lichts sind wie das Licht. Sie verhalten sich wie das Licht und Paulus sagt, die Frucht davon ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Das ist der Weg, auf dem diese Welt von uns verwandelt wird. Wer als Kind des Lichts wandelt, der kann nicht anders als unterschiedslos zu allen Menschen zu gehen. Vielmehr: Er muss zu allen Menschen, egal, wer sie sind, egal wie sie sind. Egal wie ungnädig, wie verloren in der eigenen Lüge, wie fern von der Schönheit eines solchen Domes sie leben. Das ist schwer und das kann nur, wer zu Güte und Gerechtigkeit fähig ist. Das kann nur, wer die Menschen lieben kann. So ist es von Paulus, so ist es von Jesus gemeint. Deshalb ist die einzige Form, in der die Kirche existieren kann, die der Liebe zu den Menschen. So wie sie eben sind und so wie wir eben sind. Damit werden wir zum Licht der Welt, zum Salz der Erde.
Und das großartigste ist, dass wir uns ab diesem Punkt keine Gedanken mehr darum machen müssen, was wir dort draußen sagen und tun müssen, damit irgendetwas von dem, was wir glauben, bei den Menschen verfängt. Paulus ergänzt zu Güte und Gerechtigkeit nämlich die Wahrheit. Wer als Kind des Lichts wandelt, wer die Menschen so liebt, wie sie sind, wird es automatisch so tun, wie er selbst eben ist. Und das salzt diese Erde. Wie das Licht auf alles fällt, so sind wir in Güte und Gerechtigkeit bei allen Menschen. Aber im Gegensatz zu ihnen glauben wir eben nicht, dass dieses Leben hier sinnlos ist. Wir glauben, das jedes Leben wichtig und geliebt ist. Wir glauben eben nicht, das am Ende dieses Lebens nur der Tod wartet nein wir erwarten ein ewiges Leben. Und wir glauben nicht, dass es jemanden gibt, dessen Leben wertlos ist. Wir glauben, dass es gut ist, diese Welt schöner zu machen, dass es gut ist, den Kindern beizubringen, dass jemand mit ihnen etwas Großes vorhat. Und genauso verhalten wir uns eben. Das merken die Menschen und das beginnt diese Welt zu verändern.
Salz der Erde und Licht der Welt, das ist Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit unter allen Menschen. So wie sie eben sind – so wie wir eben sind.
Amen.

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