18.04.2025
über 1. Korinther 11,23-26 (Lut17); gehalten im Freiberger Dom St. Marien von Dr. Gunnar Wiegand, Pfarrer am Freiberger Dom
Der Predigttext 1. Korinther 11,23-26 wurde als Epistel verlesen.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
bei einer Sache lasse ich mich immer wieder gerne überraschen: es handelt sich um das Essen. Einmal in der Woche kommt eine Essenskiste zu uns mit Gerichten für drei Tage. Die Auswahl für die Gerichte überlasse ich meiner Frau… da kommt auch manchmal was Exotisches: Essen aus Asien, Indien oder Afrika… mit allerhand ungewöhnlichen Gewürzen oder Zutaten, die ich noch nicht kannte… besonders liebe ich immer Gerichte mit Klebereis in Kokosmilch gekocht und dazu Gemüse oder Fleisch… so Dinge, die ich selber eigentlich nie kochen würde.
Und dann gehe ich auch manchmal gerne in sehr gute Restaurants. Dort gibt es Überraschungsmenüs. Auch das gefällt mir, wenn dann ein kleines Gericht auf’s andere folgt man dann so sukzessive satt wird, von einer Überraschung zur nächsten kommt. Ich schmecke förmlich noch die Fischgerichte aus meinem Lieblingsrestaurant in Usedom…
So wie bei diesen Überraschungen ist das ja auch beim Abendmahl – die Einsetzungsworte haben wir in der Überlieferung nach Paulus vorhin gehört. Freilich ist die Überraschung bei Brot und Wein jetzt nicht die Gaumenfreude… (denn genau das ist das Abendmahl ja nicht)… in unserer Gemeinde gibt es ganz schlicht Hostien und Wein oder Saft. Aber so eine Besonderheit ist es doch… etwas Geheimnisvolles, etwas, das wir nicht so richtig im Griff haben: Jesus ist selbst in, mit und unter Brot und Wein gegenwärtig… wie so eine Zutat, die ich in einem meiner Gerichte noch nie vorher geschmeckt habe. Wie ein Geheimnis, ein Mysterium, das Sakrament…
Und weil dieses Abendmahl mit dieser besonderen Zutat, nämlich Jesus Christus selbst, gewürzt ist, tut sich in meiner Wahrnehmung eine Spannung auf: da ist auf der einen Seite der sehr aufgeladene Ritus (mit liturgischer Musik und besonderen Gebeten) um dieses Abendmahl, da gibt es glitzernde Kelche, Schüsseln und Teller. Und auf der anderen Seite die konkrete sinnliche Erfahrung des Mahls, die dagegen so einfach daherkommt. Ein Kreis um den Altar, da kommen die Hostien: Brot in sehr eigenwilliger Form klein und rund, damit der Leib Christi nicht einfach auseinanderbröselt, kompakt gebunden ist. Und dann der eigenwillige schlicht-mehlige Geschmack einer Mischung aus Weizenmehl mit Wasser – in Anlehnung an die ungesäuerten Brote, mit denen Gott das Pessachfest eingesetzt hat. Dann der Schluck herben Weins oder Saft…. Alles fast schon enttäuschend… gar nichts Besonderes… wie man es ja vielleicht erwarten würde.
Ich glaube, dass sich heute viele schwer tun mit diesem Abendmahl… ja bis hin, dass Leute genervt sind, weil der Gottesdienst durch das Abendmahl ja länger wird. Es fehlt bei vielen an Sensibilität für das Rituelle… das schmückende gottverehrende Beiwerk. Es fehlt die Offenheit, aus sich selbst herauszutreten, die Offenheit, sich mit etwas Unsinnlichem im Sinnlichen, in, mit und unter Brot und Wein beschenken zu lassen… so wie bei einem Überraschungsmenü mit einem unbekannten Gewürz. Und ich glaube, viele Leute sind sehr in ihrer naturwissenschaftlichen Denkweise verhaftet nach dem Motto: wenn ich es nicht sehe oder empirisch erfahre, kann ich nichts damit anfangen…
In anderen Worten: das Abendmahl hat es in diesem Spannungsfeld nicht einfach. Und das ist aber auch nicht ganz neu. Es war immer wieder angefragt. Die Kirche hat immer wieder darüber diskutiert, wie es angemessen gefeiert wird, welche Bedeutung es hat und wie sich diese Bedeutung bei der Feier niederschlägt.
- Es trennte in der Reformationszeit die Lutheraner von den Reformierten
- Es trennt bis heute die lutherische Kirche von der katholischen Kirche
- Und zur Zeit des Paulus haben die Leute in Korinth einfach nur Abendgegessen und gedacht, das sei schon das Abendmahl.
Paulus schildert dies sehr drastisch: „Denn ein jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg, und der eine ist hungrig, der andere ist betrunken. Habt ihr denn nicht Häuser, wo ihr essen und trinken könnt? Oder verachtet ihr die Gemeinde Gottes und beschämt die, die nichts haben?“ Wenige Zeiten später ergänzt er sogar: „Der Mensch prüfe aber sich selbst, und so esse er von diesem Brot und trinke von diesem Kelch. Denn wer isst und trinkt und nicht bedenkt, welcher Leib es ist, der isst und trinkt sich selber zum Gericht.“ Der Apostel ist über diese unwürdige Erinnerung an Jesus Christus entsetzt und stink sauer. Daraufhin schildert er die Abendmahlsszene.
Paulus hat ja Jesus in Jerusalem nicht selbst kennengelernt. Andere Christen haben ihm diese Szene erzählt… und offenbar war das Abendmahl in dieser Form auch schon ein Ritual:
- Das Abendmahl ist nicht nur ein beliebiges Essen. Jesus Christus ist selbst da.
- Das Abendmahl stiftet Einheit bei denen die feiern, aber im Gedanken auch darüber hinaus mit anderen Gemeinden. Es hat sozusagen einen Wiedererkennungswert.
- Das Abendmahl hatte schon zur Zeit des Paulus einen festen Ritus am Ende der Wortgottesfeier…. Vielleicht nicht ganz so aufgeladen, wie es heute bei uns im Sonntagsgottesdienst gefeiert wird.
- Das Abendmahl war am Abend vor der Kreuzigung, daher heute dieses Tischabendmahl. In den Worten von Jesus wird vorweggenommen, dass sein Tod bevorsteht. Zugleich ist dieses Mahl also die Erinnerung an den Tod Jesu. Und gleichzeitig bleibt Jesus im Abendmahl doch sinnlich gegenwärtig – so wie schon in der Generation bei Paulus.
- Der Kelch wird als der neue Bund bezeichnet. Anders gesagt: Gott hält sich an diese Abmachung. Das, was mit Jesus zu den Menschen kam, ist auf Dauer gültig… sein Leben, seine Lehre, sein Evangelium…
Das Abendmahl leidet in der Praxis nach meiner Wahrnehmung oft im Spannungsfeld zwischen aufgeladenem Ritual und einer fehlenden Sensibilität für das Geheimnis, das Mysterium… oder etwas sinnlicher ausgedrückt: die Überraschung, die Würze… der Glaube, dass Jesus in, mit und unter Brot und Wein gegenwärtig ist. Vielleicht kann diese Ermahnung des Paulus an die Korinther ein Bewusstsein wecken… das Bewusstsein für die Gegenwart Jesu Christi. Denn das hat Folgen:
Wenn wir uns ab heute Abend in die Tage des Triduum Sacrum, die drei Heiligen Tage bis Ostern begeben, wenn wir morgen an Jesu Tod Kreuz erinnern… ist da der Trost von Gründonnertag trotzdem schon dabei: auch wenn Jesus am Kreuz stirbt, Jesus Christus kann uns niemand nehmen… selbst der Tod nicht. Jesus bleibt für immer.
Der Friede Gottes, welcher höher ist alle Vernunft, bewahre eure herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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