13.10.2024
von Superintendentin Hiltrud Anacker
Liebe Leser und Leserinnen!
Eine Geschichte:
Es waren einmal zwei Eisblöcke. Das Verhältnis zwischen ihnen war naturgemäß kühl. Der eine frug: „Warum kommt der andere nicht näher zu mir?“ Aber der andere Eisblock konnte nicht gehen und kommen. Da sagte der eine: „Wenn der andere auftaut, dann taue ich auch auf.“ Weil der andere Eisblock nicht von selbst auftaute, taute keiner von beiden auf. Niemand ging auf den anderen zu. Jeder vereiste in sich selbst noch mehr. Nach Monaten (oder Jahren?) schien eines Mittags die Sonne. Der eine Eisblock entdeckte, dass er schmelzen konnte. Er sah, wie er sich zu Wasser verflüssigte und doch noch er selbst war. Der andere machte diese wunderbare Entdeckung auch. So flossen aufeinander zu und begegneten sich. Zwar spürten sie ihre Kälte noch, aber auch ihre Schwachheit und ihren guten Willen. Sie sahen ihre eigene Not und die von anderen und fanden, dass sie einander nötig hatten. Da kam ein Kind und dann noch eins und noch eins. Sie ließen kleine Schiffe auf dem großen, starken Wasser fahren. Die „Eisblöcke“ hörten, dass die Kinder glücklich waren. Und diese Freude spiegelte sich wie eine Sonne im Wasser.
Das Verhältnis zweier Eisblöcke kann nicht anders als eisig sein. Manchmal kann man genauso das Verhältnis von Menschen zueinander beschreiben: kalt, unbeweglich, starr, Funkstille. Das kenne ich leider auch. Im schlimmsten Fall will ich mit jemanden nichts zu tun haben. Das kann sogar eine Lösung sein, um Streit zu vermeiden. Aber es gibt Menschen, da leide ich unter einem eisigen Verhältnis. Eigentlich - ja eigentlich - haben wir uns etwas zu sagen, könnten uns gegenseitig helfen, sind wir uns wichtig.
So ging es Paulus und der christlichen Gemeinde in Korinth Mitte der 50er Jahre des ersten Jahrhunderts n. Chr. Paulus hatte die Gemeinde gegründet. Sie lag ihm am Herzen. Später waren andere christliche Prediger nach Korinth gekommen. Sie predigten anders. Scheinbar boten sie mehr an: In anderen Sprachen beten, Wunder tun, … Das sei ihre Legitimation, so empfinden das die Korinther. Empfehlungsschreiben waren in der Antike wichtig, "der ist gut", "die ist bedeutend". Die anderen Prediger sind besser. Paulus haben sie als Redner kennen gelernt. Er war durch ein körperliches Leiden geschwächt, wie er an anderen Stellen berichtet. Er war nicht der "strahlende Held". Paulus betonte immer wieder: "Der Prediger ist unwichtig. Ihr müsst Euch an Jesus Christus orientieren. Gott lässt menschliches Leben gelingen. Er rettet aus vereisten Beziehungen. Er löst aus menschlichen Verfehlungen." Mit Wundern dient
er nicht. Dabei, betont er immer wieder, geht es nicht um ihn als Person, sondern um Jesus Christus. Paulus kämpft um "seine" korinthische Gemeinde. Das eisig gewordene Verhältnis soll auftauen.
Was interessiert uns diese Auseinandersetzung zwischen den Korinthern und Paulus heute? Warum reden wir noch darüber? Seit bestehen christlicher Gemeinden - bis heute - diskutieren wir über eine angemessene Verkündigung der Botschaft von Jesus Christus. Dabei ging und geht es nicht immer friedlich zu. Manchmal stellen sich Menschen als Person in den Mittelpunkt. Manchmal ist ein Teil der Botschaft, die herausgegriffen als einzig wichtig betont wird. Manchmal geht es Menschen auch nur darum, Recht zu haben, dann tritt die Botschaft in den Hintergrund. Dagegen hat Paulus schon vor 2000 Jahren argumentiert. "Schaut auf Gott, wie er sich das Verhältnis zu den Menschen wünscht!" So kann das Eis im Verhältnis zueinander auftauen.
Paulus schreibt: "Er (Gott) hat uns die Fähigkeit verliehen, Diener des neuen Bundes zu sein. Und die Grundlage dieses Bundes sind nicht Buchstaben, sondern der Heilige Geist. Denn der Buchstabe tötet, aber der Geist macht lebendig."
2. Korinther 3, 6
Über dieser Woche steht ein hilfreicher Vers aus dem ersten Testament, aus dem Buch des Propheten: "Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert: nichts als Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott."
Micha 6, 8
Gebet
Lasst uns beten:
Ach, wenn es so einfach wäre, Gott.
Sich an deine Gebote zu halten. Die Nächsten zu lieben. Die Fremden auch.
Ach, wenn es so einfach wäre, Gott.
Deine Weisungen zu achten. Immer aufrichtig zu sein. Gerecht oder demütig sogar.
So kommen wir heute zu dir, Gott.
Mit allem, was wir können. Und mit dem, was wir nicht können.
Sieh uns an mit Augen der Liebe.
Vergib, wo wir versagt haben. Befähige uns, deinen Weisungen zu folgen.
Dies bitten wir dich durch Jesus Christus,
der mit uns geht, heute und allezeit.
Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.
Segen
Jesu Mut beflügele unser Reden.
Gottes Geist stärke unsere Gemeinschaft.
Das Reich Gottes wachse mitten unter uns.
Es segne und begleite uns der dreieinige Gott,
der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Amen.
Herzlich grüßt Sie
Hiltrud Anacker, Superintendentin
Add comment
Fields marked with an asterisk (*) must be filled.