30.11.2024
von Superintendentin Hiltrud Anacker
Liebe Leser und Leserinnen!
Der "rote Teppich" wird ausgerollt - manchmal, für bedeutende Persönlichkeiten. Die Farbe Rot war früher schwer herzustellen und somit sehr teuer. Der "rote Teppich" ist nichts für „Otto-Normalverbraucher“. Für viele Menschen wird er nicht ausgerollt. Das ärgert mich. Wir teilen die Menschen ein in „bedeutend“ und „unbedeutend“ ein. Dabei ist die Würde eines jeden Menschen unantastbar. So steht es in unserm Grundgesetz gleich im 1. Artikel. Das bedeutet: "Jeder Mensch ist bedeutend.
Jesus wird so etwas wie der "rote Teppich" ausgerollt. Das Matthäusevangelium erzählt Folgendes: Jesus nähert sich Jerusalem. Er schickt zwei seiner Freunde vor. "Geht in das Dorf, das vor euch liegt. Dort findet ihr eine Eselin. Die bringt zu mir." sagt er. Die beiden gehen los und machen alles genau so, wie Jesus es ihnen aufgetragen hatte. Jesus setzt sich darauf und reitet in Jerusalem ein. Die Menschen, die das beobachten, haben schon von ihm gehört. Auf ihn setzen sie ihre Hoffnung, dass alles besser werden könnte. Mangels eines "roten Teppichs" breiten sie ihre Mäntel auf der Straße aus. Andere schneiden Palmzweige von den Bäumen und legen sie dazu. Sie jubeln: "Hosianna dem Sohn Davids" - "Hilf doch! Dir trauen wir das zu." (Mt. 21,1ff)
Diese biblische Geschichte wird im Kirchenjahr gleich zweimal erzählt. Zu Palmsonntag (nach Jh. 12): Jesus geht den Weg auf das Kreuz zu. Am 1. Advent hat sie eine andere Ausrichtung. Wir schauen im Advent auf die Geburt Jesu, aber nicht nur. Wir erwarten auch das Ziel dieser Erde und allen Lebens, wir warten auf Gottes neues Welt. Im Alten Testament beim Propheten Sacharja klingt es ganz ähnlich: Es kommt einer, der ist definitiv eine bedeutende Persönlichkeit, ein "Friedenskönig". Er bringt am Ende dieser Welt den ersehnten Frieden. Diese Sätze passen so gut zu Jesus. Er bekommt keinen Staatsempfang, die Presse ist nicht da, den Einflussreichen ist das alles suspekt, statt eines Luxusautos reitet er auf einem Esel. Genauso hat er seinen Einzug in Jerusalem gewollt - schlicht. Doch an diesen Friedenskönig klammern sich Hoffnungen.
Menschen klammern sich an Hoffnungsträger. Manchmal überhöhen sie sie auch, sie schaffen sich Idole. Menschen sehnen sich nach einem gelingenden Leben. "Hosianna - Hilf doch!" Die einen wünschen sich wachsenden Wohlstand, die anderen ein Rund-um-sicher-Paket und noch andere das Paradies. Frieden ist ein Grundbedürfnis der meisten Menschen. Wer kann dies schaffen? Ein Friedenskönig wäre nicht schlecht. Aber ein Friedenskönig auf einem Esel? Na ja, … Das Ende war abzusehen: Verhaftung, Verurteilung, weg. Genau einen solchen „Friedenskönig“ kündigt der Prophet Sacharja allerdings an. Genau an einen solchen Friedenskönig hängen die Menschen ihre Hoffnung, nicht nur vor 2000 Jahren. Bei den vielen schlechten Nachrichten höre ich immer wieder: "Ach, würde Jesus doch …!" "Er, für den die Menschen einen Teppich aus Kleidern und Palmenzweigen ausrollen, ist Frieden. Und wenn sie ihm mit Gewalt kommen, bleibt er immer noch, was er sagt und ist." So formuliert es der Theologe Michael Becker. Jesus ist kein Träumer, kein Phantast. Jesus kommt vollkommen ungeschützt und durchbricht die Gewaltspirale. Er zeigt, was Frieden wirklich bedeutet
Amen.
Gebet
Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag aber nahe herbeigekommen.
Wir warten im Dunkel, Gott, auf dich.
Die Nacht ist vorgedrungen.
Gewalt und Krieg beherrschen unsere Welt und unsere Seelen.
Im Zweifel an uns selbst, an den Kräften des Guten warten wir, Gott, auf dich:
Die Nacht ist vorgedrungen, / der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen / dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweinet, / der stimm froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet / auch deine Angst und Pein.
Die Nacht ist vorgedrungen.
Sorge hält uns wach, Sorge um die Zukunft.
Wir schauen in die Gesichter unserer Kinder und Enkel.
In welcher Welt werden sie leben?
Unsicher über uns selbst und unseren Weg durch die Zeit, warten wir, Gott, auf dich:
Dem alle Engel dienen, / wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen / zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden, / verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden, / wenn er dem Kinde glaubt.
Die Nacht ist vorgedrungen.
Wir warten
mit allen, die nicht mehr warten können,
mit allen, die sich vor Raketen und Drohnen verkriechen müssen,
mit allen, die der Hunger quält bis in den Schlaf,
mit allen, die sich selbst aufgegeben haben,
wir warten auf dich, Gott:
Die Nacht ist schon im Schwinden, / macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden, / das aller Zeiten Lauf
Von Anfang an verkündet, / seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet, / den Gott selbst ausersah.
Die Nacht ist vorgedrungen.
Wir möchten ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts,
in der Liebe, die dem Ungewissen getrost entgegensieht, die einsteht für alle,
die unseren Glauben und unsere Hoffnung brauchen.
Wandle uns und mach uns bereit, dich zu empfangen, Gott.
Wir warten im Dunkel, Gott, auf dich:
Noch manche Nacht wird fallen / auf Menschenleid und –schuld.
Doch wandert nun mit allen / der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte, / hält euch kein Dunkel mehr,
von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Segen
Gottes Licht erfülle dein Herz. Gottes Kraft stärke dich. Gottes Friede schütze dich.
Amen.
Herzlich grüßt Sie
Hiltrud Anacker, Superintendentin
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